Theorie der Architektur

Leitung: Univ.-Prof. PhD Mario Carpo

Die Moderne, wie wir sie kennen, neigt sich langsam dem Ende zu: nicht jedoch aufgrund von sozialen Revolutionen oder ideologischen Proklamationen, sondern dank technischer Veränderungen. Digitale Tools für die computergestützte Gestaltung und Herstellung haben seit Beginn der 1990er-Jahre den Aufstieg eines neuen soziotechnischen Paradigmas vorangetrieben: die digitale individualisierte Massenproduktion – oder vielmehr die Massenproduktion von Variationen ohne Extrakosten. Moderne Fabriken benötigen die standardisierte Massenproduktion, um Skaleneffekte und damit Kostenvorteile zu erzielen; da diese Skaleneffekte jedoch die digitale Fertigung nicht betreffen, braucht sie auch keine Standardisierung. Die postindustrielle Informationsökonomie ist eine Null-Grenzkosten-Ökonomie – ohne Skaleneffekte.

Darüber hinaus setzen computergestützte Tools der zweiten Generation nun neue Methoden für quantitatives Problemlösen ein, die den Methoden moderner Wissenschaft vollkommen fremd sind. Diese neuen postwissenschaftlichen Methoden, die nur zum Teil mit der klassischen künstlichen Intelligenz zu tun haben, basieren auf heuristischer Suche und Brute-Force-Berechnungen – simpler Arithmetik, die mit unvorstellbarer Geschwindigkeit durchgeführt wird. Diese Methoden selbst nutzen den Menschen wenig, können aber von modernen Computern äußerst effektiv eingesetzt werden. Die Kombination von digitaler individualisierter Massenproduktion und computergestützter adaptiver Automatisierung ist bereits in der Lage, die Art und Weise, in der wir beinahe alles produzieren, konsumieren, austauschen und bewerten, auf den Kopf zu stellen.

Seit den frühen 1990er-Jahren sind die Vertreter der Kreativwirtschaft außergewöhnlich erfolgreich darin, die neuen digitalen Technologien für Design und Herstellung zu verstehen, zu nutzen und ihnen eine Form zu geben. Bis heute gehören Designer und Gestalter zu den aufmerksamsten Interpreten und gefragtesten Spezialisten von allen digitalen und computerbasierten Dingen. Diese Kompetenzen sind heute umso wichtiger, da neue soziale, ökonomische und ökologische Herausforderungen sogar die Grundfesten der Welt, in der wir leben, bedrohen. Viele der globalen Probleme, mit denen wir heute konfrontiert sind, wie der Abbau von Arbeitsplätzen in der Industrie, der Klimawandel oder die Krise der politischen Repräsentation, sind – zumindest teilweise – eine Folge der verpfuschten oder mangelhaften Handhabung des technischen Wandels. Die Vertreter der Kreativwirtschaft sind bestens gerüstet dafür, Technologie neu zu bewerten, neu zu definieren wie auch neu zu gestalten.


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