Die Angewandte
trauert um Daniela Hammer-Tugendhat
18. September 2025
Mit Daniela Hammer-Tugendhat verliert die österreichische Kunstgeschichte eine ihrer wichtigsten Forscherinnen
und beeindruckendsten Persönlichkeiten. Daniela Hammer-Tugendhat war als Kunsthistorikerin und Universitätslehrerin hochgeschätzt
und hat sich mit bewundernswerter Klugheit, Wachheit und Zivilcourage auch wiederholt in gesellschaftspolitischen Angelegenheiten
engagiert. Die Universität für angewandte Kunst Wien trauert zudem um eine langjährige Kollegin und Vertraute, die bis zum
Schluss mit wachem Interesse an fachlichen, politischen und institutionellen Fragen am Universitätsleben teilgenommen hat.
Daniela Hammer-Tugendhat wurde am 2. August 1946 in Caracas als jüngstes Kind
von Fritz und Grete Tugendhat geboren. 1950 kehrte die Familie aus dem durch die nationalsozialistische Verfolgung erzwungenen
Exil nach Europa zurück. Nach dem Studium der Kunstgeschichte und der Klassischen Archäologie in Bern und in Wien promovierte
Daniela Hammer-Tugendhat 1975 bei Otto Pächt mit einer Dissertation zu Hieronymus Bosch an der Universität Wien. Ihre Forschungsschwerpunkte
lagen in der niederländischen und holländischen Kunst der Frühen Neuzeit sowie, insbesondere nach ihrer Habilitation 1993,
in der kunsthistorischen Geschlechterforschung. In den letzten Jahren vertiefte sie ihren methodischen Zugang, der immer nach
dem historischen Verständnis und der sozialen Funktion von bildender Kunst gefragt hatte, zur Kunstgeschichte als Kulturwissenschaft.
1975 begann Daniela Hammer-Tugendhats Lehrtätigkeit an der Universität für angewandte Kunst, die zunächst für
eine ganze Generation an Studierenden, dann für immer größere Teile der Öffentlichkeit eine ungemeine und viel geschätzte
Bereicherung darstellte. Nachdem sie im Jahr 1997 einen Ruf an die Goethe-Universität in Frankfurt am Main abgelehnt hatte,
blieb sie bis zu ihrer Pensionierung 2012 Professorin an der Angewandten, der sie auch darüber hinaus als Honorarprofessorin
verbunden blieb. Während ihrer gesamten Laufbahn setzte sie sich engagiert für Geschlechterforschung und Gleichstellung ein.
Sie prägte die feministische Forschung in Österreich von der ersten Stunde an und setzte sich etwa durch die Mitarbeit in
der 1989 gegründeten „Initiative zur Förderung der Frauenforschung und ihrer Verankerung in der Lehre“ auch konkret bei der
Etablierung genderkritischer Ansätze an österreichischen Universitäten ein. Durch ihre exzellente internationale Vernetzung
in der feministischen Kunstgeschichte beteiligte sie sich an der Ausrichtung mehrerer Kunsthistorikerinnen-Tagungen im deutschsprachigen
Raum, darunter auch einer von ihr maßgeblich mitkonzipierten Tagung in Wien im Jahr 1986.
Ihr wissenschaftlicher
Beitrag zur Kunstgeschichte der frühen Neuzeit ist durch eine umfangreiche Vortrags- und Publikationstätigkeit belegt. So
erschien beispielsweise 2009 die Monographie „Das Sichtbare und das Unsichtbare“ zur Holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts
(Böhlau Verlag, in englischer Übersetzung 2015 bei de Gruyter), 2010 der von ihr herausgegebene Band „Emotionen“ (transcript
Verlag) zur Visualisierung von Affekten und Emotionen. Darüber hinaus setzte sich Daniela Hammer-Tugendhat gemeinsam mit Ivo
Hammer über Jahrzehnte hinweg nachdrücklich für die sachgerechte Restaurierung des „Haus Tugendhat“ ein, dem von Mies van
der Rohe entworfenen Elternhaus in Brünn.
2010 zeichnete die Österreichische Bundesregierung ihr Engagement mit dem Gabriele
Possanner-Staatspreis für wissenschaftliche Leistungen im Dienste der Geschlechterdemokratie aus. 2012 erhielt sie den Ehrenring
der Universität für angewandte Kunst, 2024 das Goldene Ehrenzeichen der Stadt Wien.
Daniela Hammer-Tugendhat ist am 17.
September 2025 nach einer langjährigen, mit bewundernswürdigem Lebensmut ertragenen Krankheit im Kreise ihrer Familie verstorben.
Unsere tiefe Anteilnahme gilt ihrer Familie und ihren Angehörigen, sowie den vielen mit ihrem Wirken verbundenen Freund*innen
und Kolleg*innen im In- und Ausland. Mit ihr verlieren wir eine herausragende Kollegin und überragende Persönlichkeit des
öffentlichen Lebens. Wer sie persönlich kannte, wird auch ihre Klugheit, Courage und Warmherzigkeit schmerzlich vermissen.
Eva Kernbauer, Leiterin Abteilung Kunstgeschichte, mit Dank an Karin Gludovatz